Wir stehen heute, nach dem zum Teil gänzlich fremden, in vielem aber auch förderlichen Intermezzo der Epoche nach der Französischen Revolution und der mit ihr verbundenen Aufklärung (I, II, III), in einer neuen großen Weltanschauungswende von geradezu kopernikanischem Ausmaß. Wie damals das geozentrische Dogma der Bibel unter dem Ansturm der Naturerkenntnis in sich zusammenbrach, so heute das anthropozentrische Dogma derselben erstarrten und überholten Ansammlung von uns fremden Lehren und Anschauungen, Erzählungen, Sagen und Beispielen. Der Hebel, der jene brüchigen und mumifizierten Vorstellungsgebäude aus den Angeln hebt, ist unsere moderne Rassenerkenntnis, die einesteils auf der Entdeckung der Erbgesetze, andernteils auf der Erforschung der natürlichen Abstammung des Menschen und der Genetik fußt.
Hatte das Lebenswerk von Kopernikus, Kepler und Galilei der Erforschung und Ordnung unserer schicksalsmäßigen Umwelt und ihrer Naturgesetzlichkeit wieder freie Bahn gebrochen, so eröffnet die Genetik und Verhaltensforschung die Erforschung der für uns nicht weniger schicksalhaften Erbwelt. Damit aber haben wir die Totalität unserer Schicksalserforschung und Daseinserkenntnis der klerikalen und fremden Verdunkelung und Verwirrung entrissen.
Schicksal ist nämlich für alles Lebendige nichts anderes als das Zusammenwirken seiner nur ihm eigentümlichen Erbwelt mit der ihn Zeit seines Daseins umgebenden und formenden Umwelt. Schicksal ist die Resultante aus dem Kräftespiel unserer Erbwelt und unserer Umwelt. Die Gesamtgesetzlichkeit des Alls, die uns bewegt, setzt sich aus diesen beiden großen Gesetzmäßigkeitsgruppen zusammen. Alles, was nicht Erbwelt ist, muss ja Umwelt sein, und alles, was nicht Umwelt ist, muss Erbwelt sein. So muss auch unser modernes Weltbild sich zusammensetzen aus dem Bild, das wir uns über die Vorgänge um uns, und dem Bild, das wir uns über die Vorgänge in uns machen.
Auch das Göttliche kann nicht anders als auf diesen beiden Wegen, „dem gestirnten Himmel über uns und dem moralischen Gesetz in uns” auf uns Einfluss nehmen. Auch unser Blick ins All, in die Werkstatt der Vorsehung, auch unser Weg deutschen Frommseins und deutscher Gläubigkeit muss deshalb so seine „Offenbarungen” suchen, die für uns allerdings keine Geheimnisse und Mysterien, sondern Erkenntnisse und Wirklichkeiten sind! Die Welt um uns besteht aus „Freiwelt” und „Heimwelt”, d. h. der eigentlichen Natur, der Physik, Chemie, Biologie, den Tieren, Pflanzen und Rohstoffen einerseits, und der vom Menschen gestalteten Umwelt, der Kultur, Wirtschaft, Politik und Geschichte andererseits. Die Welt in uns besteht aus unseren Erbanlagen.
Alles drei gilt es mit unserem Verstand in seiner Gesetzmäßigkeit zu erkennen, sodann in seinen Teilen, Ursachen und Wirkungen mit Seele und Gemüt in seinem Wert zu schätzen, zu bejahen oder abzulehnen und endlich in seinem Geschehen und seiner Gestaltung wollend vorzubereiten und zu verwirklichen oder nach Kräften abzuwehren und zu verhindern. So stehen Weltbild, Weltanschauung und Weltgestaltung nebeneinander wie erkennender Geist, wertende Seele und wollende Tätigkeitskraft. Ihre Einheit finden sie einmal im Menschen, der sie als verschiedene Seiten seines Seins in sich vereinigt, und andererseits in der Ordnung, der der Mensch als ganzer und damit auch durch seine Erkenntnis, sein Gefühl und seine Tat zu dienen hat. Was diese uns heiligste und höchste Ordnung ist, darüber gehen die Meinungen der Völker und der Zeitepochen wieder auseinander.
Wessen Gefühl nach der Existenz eines Jenseits verlangt, der wird wohl auch die letzte Instanz und den obersten Wert in diesem Jenseits suchen. Er wird also als weltanschauliche Forderung die Überwindung der Natur, die Auslöschung der Rassengrenzen, die Abkehr vom Diesseits erheben.
Wessen Gefühl die Stimmigkeit und Eleganz der äußeren Form befriedigt, der wird einen glatten Religionsritus und Priesterkodex aufstellen, dessen Fassade Genüge zu leisten ist, um seine Schuldigkeit zu erfüllen.
Wer das All als gottdurchwirkte Schöpfung ohne Ende von Zeit und Raum empfindet, der wird nach den wesenhaften und deshalb schicksalhaften Gesetzmäßigkeiten dieses Alls forschen und bestrebt sein, seine eigene Menschenordnung mit diesen großen Geordnetheiten der Vorsehung in Einklang und Obereinstimmung zu bringen. Er wird am gestirnten Himmel über sich, in den Bausteinen der Welt, beim Werden der Erde nach Gesetzmäßigkeiten und Werten suchen. Die Gesetzmäßigkeiten wird er finden, für seine menschliche Daseinsform gültige Werte aber noch nicht. Und vielleicht wird er dann folgendes erkennen: zunächst, dass unsere Umwelt bei näherer Betrachtung und Durchforschung uns immer ins Unendliche führt, weil sie im Unendlichen mündet, dort, wo uns unsere Sinne und unser Verstand nicht mehr hinbegleiten.
(Fortsetzung folgt.)