Schon Lessing hatte, noch im Reich des reinen Denkens und Kritisierens, den Kampf gegen die Unterdrückung deutschen Wesens durch französische Kunstregeln aufgenommen. Er erkannte, dass das englische Wesen zum Deutschen besser passt als das Französische, dass Vernunft und Regel für uns Deutsche einen lebendigen Sinn haben müssen und dass die Kunst unseres Volkes unserem Charakter entsprechen müsse: „Das ist gewiss, wollte der Deutsche in der dramatischen Poesie seinem eigenen Naturell folgen, so würde unsere Schaubühne mehr der englischen als der französischen gleichen.“
Es bleibt sein unvergessliches Verdienst, dem deutschen Genius die Bahn frei gemacht zu haben für seine besondere Art und Wirkungsform: „Dem Genie ist es vergönnt, tausend Dinge nicht zu wissen, die jeder Schulknabe weiß. Nicht der Vorrat des Gedächtnisses, sondern das, was er aus sich, aus seinem eigenen Gefühl hervorzubringen vermag, macht seinen Reichtum aus.“ Und indem er Shakespeare in das deutsche Geistesleben einführt, bricht er dem vollen Strom deutscher Kunst, deutschen Fühlens und Denkens Bahn.
Aber manche Menschen sind noch mehr als ihre Absichten. Und wie Friedrich der Große durch seine Kämpfe und Siege, durch seinen Charakter und seinen Willen mehr zur Stärkung des deutschen Nationalgefühls, ja des deutschen Kunstsinns beigetragen hat, als ihm selbst bewusst war, so wirkt Lessing über seine vielfach überholten Thesen hinaus durch die Lauterkeit seiner Erscheinung, seinen soldatischen Mut, sein kämpferisches Entdecken, durch sein Ringen gegen Muckertum und Heuchelei, seinen tapferen Witz, seine Güte, seinen stolzen Ingrimm und seinen erzieherischen Eifer als ein großes deutsches Ereignis, als ein Führer zur nationalen Selbsterkenntnis. Selbst noch dem Aufklärungszeitalter angehörig und an die Mittel des reinen Denkens gebunden, stand er doch an der Schwelle einer neuen Zeit, die von Herder voll aufgetan wird.
Besonders die Sprache eines Volkes verrät seine Art zu erleben und die Lieder eines Volkes offenbaren seine Anlagen und Eigenarten. Daher sammelte Herder die „Stimmen der Völker in Liedern“. Er wollte zurück zu den fast verschollenen Anfängen der Völker, zu den wilden und zauberreichen Lauten in England und Holland, Frankreich und Spanien, Skandinavien und dem Baltikum, Italien und Deutschland. Zugleich mit dem Willen zum Ursprünglichen ist es die Hinwendung zum Nordischen, die Herder so bedeutsam auf die nationale Idee der Deutschen einwirken ließ.
Von der Wiedererweckung nordisch-germanischen Geistes versprach er sich alleine eine Wiedergeburt Deutschlands, ja Europas.