Entsprechend ist das Verhalten der Deutschen während der französischen Revolution. Wohl zogen die deutschen Dynastien gegen Frankreich, aber sie taten es nur im Dienste eines veralterten Ideals, das an elementarer Kraft sich nicht messen konnte mit den stürmischen Gewalten der französischen Revolution und das keine Verbindung mehr hatte, mit den innersten Hoffnungen unserer besten Deutschen. Viele deutsche Geister begrüßten freudig die französische Revolution, die den neuen Ideen von einer freien Menschlichkeit, einem gerechten Staate, einem brüderlichen Zusammenschluss Wirklichkeit zu geben schien.
Am Rhein nahm man die Franzosen als Befreier von der Herrschaft der ungeliebten kleinen Fürsten auf und feierte Verbrüderungsfeste! Görres trat ein für eine freie rheinische Republik, in der das Volk herrschen sollte, von dem man sich in merkwürdiger Schwärmerei die Durchführung und Achtung hoher sittlicher Grundsätze versprach. „Es gibt nur eine Partei, die der Tugend und der Wahrheit“, verkündete Görres (1776 – 1848). Auch Schiller (1759 – 1803), dessen erste Dichtungen aus dem glühenden Hass gegen alle Tyrannen erwuchsen und der in „Die Räuber“ und „Kabale und Liebe“ die Leiden des Volkes und die Not der Menschheit ausrief, erwartete von der Revolution einen großen moralischen Aufschwung, eine Erneuerung der sittlichen Weltordnung, eine Beseitigung der Bedrücker und eine Beglückung der Völker.
Als die Franzosen in einem großartigen nationalen Impuls sich in Waffen erhoben und in deutsches Land hereinbrachen, sahen unsere führenden Geister ruhig zu oder bemerkten in ihrem geistigen Reich diesen realen Vorgang überhaupt nicht! Und während das politische Reich der Deutschen zerfiel, bildete sich, wunderbar genug, ein geistiges Reich der Deutschen, das immer umfangreicher, mächtiger wurde, das immer mehr die deutsche Eigenart hervortrieb und eine Umwandlung der Menschen von Grund auf bewirket. Hier wurde die französische Revolution zuerst besiegt, hier wurden die Waffen geschmiedet, die Napoleon niederzwangen.
Was der Deutsche tut, muss er mit Gründen tun: in der Tiefe wendeten sich unsere führenden Geister von der Revolution und den zu flachen Grundsätzen des 18. Jahrhunderts ab, und so wurde nach und nach, an vielen Stellen und auf verschiedenen Wegen, die Idee des Deutschtums und der deutschen Nation gegründet.
(Fortsetzung folgt.)