Viele Österreicher bezeichnen das Parlament, zuweilen hinter vorgehaltener Hand, als „Schwatzbude“. Wir wollen uns diesem harten Urteil nicht anschließen, wiewohl „parlamentum“ vom spätlateinisch-italienischen „parlare“ = sprechen/schwätzen stammt.
Einiges im alltäglichen Arbeitsablauf des Parlaments erinnert an den Spruch: „Wenn man nicht mehr weiter weiß – gründet man ‘nen Arbeitskreis“. Da wird viel in diversen Arbeitsausschüssen geklüngelt und gefeilt, politische Tauschhändeleien werden durchgezogen, auch legistische Taschenspielertricks kommen zum Einsatz. Doch alles im Dienste der Sache, nämlich der Gesetzeserlassung durch den Nationalrat.
Angeblich gibt es in Österreich keinen Klubzwang, der Abgeordnete zum Nationalrat ist frei gewählt und im Rahmen der geltenden Gesetze nur seinem Gewissen und dem Souverän verantwortlich. In Wahrheit sieht die Sache natürlich etwas anders aus. So ist nach einem geflügelten Wort der Ort des freien Gewissens im österreichischen Parlament die Toilette hinter dem Plenarsaal. Seit der damalige Bundespräsident Heinz Fischer das Parlament öffentlich aufforderte dem Europäischen Fiskalpakt zuzustimmen und kritischen Abgeordneten riet, einfach nicht an der Abstimmung teilzunehmen, nennt man diesen Abgang „aus Gewissensgründen“ im Parlamentsjargon „einen Fischer machen”. Und schon dieser Gang zur Toilette, um dem Klubzwang zu entfliehen, gilt den Vertretern der Parteien im Nationalrat als Heroismus.
Wir wollen heute einem Gesetz bis zu dessen Erlass folgen und nehmen als Beispiel die Novelle zur Gewerbeordnung (GewO). Die GewO wurde 1994 wiederverlautbart und seither über 70 Mal novelliert! Ob die geplante Abänderung also tatsächlich notwendig ist, oder welche Art der Abänderung am Sinnvollsten wäre, interessiert uns an dieser Stelle nicht.
Am 06.02.2017 wurde jedenfalls wieder ein Abänderungsentwurf der GewO im Wirtschaftsausschuss eingebracht.
Am 11.05.2017, in der 18. Sitzung (XXV. GP) dieses Ausschusses, wurde die Gewerbeordnungsnovelle verabschiedet. Damit sollte einer Beschlussfassung in einer der nächsten Sitzungen des Nationalrats nichts mehr im Wege stehen. Die Reaktionen der Oppositionsparteien sind hier nachzulesen.
Bereits am 17.05.2017, in der 181. Sitzung (XXV. GP) des Nationalrates, wurde die Gewerbeordnungsnovelle jedoch zurück an den Start geschickt.
Dies übrigens mit den Stimmen aller Parteien! Auch jener Parteien, welche die Gewerbeordnungsnovelle im Wirtschaftsausschuss beschlossen hatten. Angeblich soll es bis zum Sommer 2017 einen neuen Anlauf geben, was angesichts der anstehenden Neuwahl wohl eher ein frommer Wunsch bleiben wird. Man darf es den Österreichern also nicht krummnehmen, wenn sie „Das Hohe Haus“ als „Schwatzbude“ bezeichnen.