Das 18. Jahrhundert ist das Zeitalter der „Aufklärung“. Aus der Gesamtheit der menschlichen Kräfte löst sich die Vernunft heraus und sucht ungebunden durch religiöse Glaubenssätze und staatlich-gesellschaftliche Überlieferungsmächte die Welt zu durchdringen und ihre „eigentlichen“ Gesetze zu erkennen. Überall waren Vorurteile zu beseitigen, jahrhundertelange Irrtümer und Dunkelheiten schienen sich aufzuhellen, in allen Ländern, in Holland wie in England, in Frankreich und in Deutschland regten sich kampflustig die Geister, um die religiösen und geistigen, schließlich auch die gesellschaftlichen und politischen Formen zu zerbrechen oder jedenfalls zu wandeln und den Erkenntnissen der „Vernunft“ anzupassen.
Einer der Begriffe, mit dem eine starke Richtung des 18. Jahrhunderts aufräumen zu müssen glaubte, war der des Staates. Man empfand den Staat als Hemmung der persönlichen Freiheit und als eine betrübliche Minderung des ursprünglichen Glücks, dessen sich der Mensch im Naturzustand erfreut.
Der Mensch werde frei geboren, jetzt sei er aber überall in Banden, so ließ sich Rousseau (1712 – 1778) vernehmen; das komme daher, dass der Staat seine Rechte überschritten habe; der Staat beruhe auf einem Vertrag der Menschen untereinander und habe nur dann Sinn, wenn er die Freiheit des einzelnen, sein menschliches Recht und Glück sichere. Hier fehlt jeder Sinn für die großen geschichtlichen Mächte, für die schöpferische Kraft der Gemeinschaft, für Hingabe und Opfer über das persönliche Sein hinaus; aber man darf nicht vergessen, welchen Staat die Aufklärer vor sich haben: den Absolutistischen!
Der absolutistische Staat ist ohne von Gott geschöpftes Recht nicht denkbar. Der westeuropäische und schließlich der deutsche Materialismus, als ein Ergebnis der Aufklärung, ist trotz zeitbedingter Einseitigkeit eine geschichtlich notwendige, revolutionäre Bewegung gegen das geistige Mittelalter. Der orientalische Jahveismus hat sich in Verbindung mit der platonischen Ideenlehre als spiritualistische Metaphysik über Europa gelagert, die geisteswissenschaftliche Forschung dogmatisch begrenzt und die wahre Naturforschung behindert. Fast 1500 Jahre lang wurde die vom heidnischen Griechentum eingeleitete wissenschaftliche Erforschung und Beobachtung der realen Wirklichkeit unterbrochen.
Der Liberalismus als Frucht dieses Materialismus entartete jedoch wegen seiner Einseitigkeit sehr rasch und mutierte zu einer asozialen und staatsverneinenden Idee.
„Der Liberalismus behauptet, dass er alles, was er tut, für das Volk tut. Aber gerade er schaltet das Volk aus und setzt ein Ich an die Stelle. Der Liberalismus ist der Ausdruck einer Gesellschaft, die nicht mehr Gemeinschaft ist. […] Es liegt im Triebe eines jeden, dass er Individuum sein möchte, auch wenn er keines ist. Jeder Mensch, der sich nicht mehr in der Gemeinschaft fühlt, ist irgendwie liberaler Mensch. Seine Allzumenschlichkeiten sind liberal. Und die Selbstliebe ist sein eigenster Bereich.“ (Arthur Moeller van den Bruck: „Das dritte Reich“; Ring-Verlag, Berlin 1926; S. 117 ff.)
Der scharfdenkende Analyst Francis Parker Yockey gelangt in seinem Opus Magnum „Chaos oder Imperium“ zu einem vernichtenden Urteil:
„Der Liberalismus kann nur negativ definiert werden. Er ist ausschließlich Kritik, keine lebende Idee. Ein großes Schlagwort ‘Freiheit’ ist ein Negativum. Es bedeutet in Wirklichkeit Freiheit von Autorität, d.h. Auflösung des Organismus. In seinen letzten Stadien erzeugt er sozialen Atomismus, mit dem nicht nur die Autorität des Staates, sondern auch die der Gesellschaft und der Familie bekämpft wird. Die Scheidung ist der Ehe gleichrangig, die Kinder den Eltern. Seine Haltung war immer widersprüchlich, er suchte immer einen Kompromiss. Aber bei einer Krise war der Liberalismus als solcher nie vertreten; seine Anhänger schlugen sich auf die eine oder die andere Seite eines revolutionären Kampfes, je nachdem wie konsequent ihr Liberalismus und wie stark seine feindselige Einstellung zur Autorität war.“ (Francis Parker Yockey: „Chaos oder Imperium“; Grabert Verlag, Tübingen 1976; S. 120 f.)
Im 19. Jahrhundert führte das Aufbäumen gegen den mittelalterlichen Obrigkeitsstaat im Politischen, vom Liberalismus zum marxistischen Sozialismus, andererseits zur Gegenreaktion des Konservativismus.
Werner Sombart schreibt dazu:
„Es gehört zu den Erbschaften, die der Liberalismus in Deutschland dem Jahre 1848 verdankt, dass eine seiner hervorstechenden Charaktereigentümlichkeiten eine seltsame Furcht vor dem roten Gespenst ist. Freilich hat das Proletariat ihm selbst durch sein Verhalten dazu verholfen. Es ist bekannt, wie die bürgerliche Bewegung des Jahres 1848 in Deutschland zusammengeklappt wie ein Taschenmesser sich unter die preußischen Bajonette flüchtet in dem Augenblicke, als die „gens mal intentionés“, die bekannte, in jeder bürgerlichen Revolution vorhandene demokratische Unterströmung – siehe 1789 ff.! – sich bemerkbar zu machen beginnen. Da war es vorbei mit dem Bürgerstolz und dem Bürgertrotz; und es ist immer wieder damit vorbei gewesen, sobald auch nur von Ferne das Gespenst der sozialen Revolution am Horizonte auftauchte: siehe Sozialistengesetz! So war die Brücke zwischen der proletarischen Bewegung und der bürgerlichen Opposition frühzeitig schon geborsten, um bald ganz abgebrochen zu werden.“ (Werner Sombart: „Sozialismus und soziale Bewegung im neunzehnten Jahrhundert“; Verlag von Gustav Hischer in Jena, 1897; S. 37.)
Der Konservativismus ist immer auf die eine oder andere Art und Weise der Versuch das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Er ist zutiefst reaktionär! Mag er sich auch in verschiedenster Form verkleiden, uneingestanden ist allen Konservativen das Ressentiment gegen die Aufklärung gemein. Anstatt mutig in die Geschichte voranzuschreiten und die immer neuen Problemstellungen zu bewältigen, herrscht die Sehnsucht nach „der guten alten Zeit“ vor, die in Wahrheit bedeutet in das geistige Mittelalter zurückzukehren. Zu christlicher Dogmatik, zu Scholastik, zu Spiritualismus und Wissenschaftsfeindlichkeit. Da sich das Rad der Zeit aber nicht zurückdrehen lässt und sich der Geist der Zeit, im Unterschied zum Zeitgeist, nicht aufhalten lässt, gehört die Zukunft dem Sozialismus. Einem Sozialismus der eine gerechte Gemeinschaftsordnung bedeutet.
Selbst für einen so freien und genialen Geist wie Goethe war die unabdingbare Rückkoppelung des Einzelnen an die Gemeinschaft über jeden Zweifel erhaben.
„Im Grunde aber sind wir alle kollektive Wesen, wir mögen uns stellen, wie wir wollen. Denn wie weniges haben und sind wir, das wir im reinsten Sinne unser Eigentum nennen! Wir müssen alle empfangen und lernen, sowohl von denen, die vor uns waren, als von denen, die mit uns sind. Selbst das größte Genie würde nicht weit kommen, wenn es alles seinem eigenen Innern verdanken wollte. Das begreifen aber viele sehr gute Menschen nicht und tappen mit ihren Träumen von Originalität ein halbes Leben im Dunkeln. […] Und was ist denn überhaupt Gutes an uns, wenn es nicht die Kraft und Neigung ist, die Mittel der äußeren Welt an uns heranzuziehen und unseren höheren Zwecken dienstbar zu machen. Ich darf wohl von mir selber reden und bescheiden sagen, wie ich fühle. Es ist wahr, ich habe in meinem langen Leben mancherlei getan und zustande gebracht, dessen ich mich allenfalls rühmen könnte. Was hatte ich aber, wenn wir ehrlich sein wollen, das eigentlich mein war, als die Fähigkeit und Neigung, zu sehen und zu hören, zu unterscheiden und zu wählen, und das Gesehene und Gehörte mit einigem Geist zu beleben und mit einiger Geschicklichkeit wiederzugeben. Ich verdanke meine Werke keineswegs meiner eigenen Weisheit allein, sondern Tausenden von Dingen und Personen außer mir, die mir dazu das Material boten.“ (Johann Peter Eckermann: „Gespräche mit Goethe“; Berlin o. J.; Eintrag vom 17.2.1832, S. 520 ff.)
Der Sozialismus als Gemeinschaftsordnung setzt voraus, dass es einen Bewertungsmaßstab gibt, der die verschiedenen Rangstufen innerhalb der Ordnung festsetzt. Dieser Maßstab ist im Nationalstaat die Leistung des Einzelnen für sein Volk. Sozialismus hat also nichts mit Gleichmacherei zu tun. Sozialismus ist ein Gemeinschaftszustand, eine Gesellschaftsordnung, zu der alle Angehörigen des Volkes zählen. Es ist unmöglich Sozialismus in rein äußeren Staats- und Wirtschaftsformen erschöpfen zu wollen. Sozialismus setzt die Gemeinschaft eines Volkes voraus und diese wiederrum gleiche Vernunft, Einsicht und Haltung.
Der Sozialismus ist also im Wesentlichen keine wirtschaftliche Angelegenheit, sondern im Grunde allumfassende Gemeinschaftsgesinnung und Gemeinschaftstat aller Glieder eines Volkes.