Der Begriff „Leitkultur“ ist nicht alt. Er wurde erst Ende der 1990er Jahre von Bassam Tibi in die politische Sphäre eingeführt.
Er schreibt:
„Die Werte für die erwünschte Leitkultur müssen der kulturellen Moderne entspringen, und sie heißen: Demokratie, Laizismus, Aufklärung, Menschenrechte und Zivilgesellschaft.“ (Bassam Tibi: „Europa ohne Identität? Die Krise der multikulturellen Gesellschaft“; Bertelsmann Verlag, München 1998; S. 154.)
Am Begriff „Leitkultur“ hat sich damals vor allem die linke Reichshälfte abgearbeitet.
„Eine Jury aus deutschen Sprachwissenschaftlern hat 2015 beschlossen, den Begriff ‘Gutmensch’ als ‘Unwort des Jahres’ zu verbieten. Wie? Ist es auch verboten, über den Antisemitismus deutscher Gutmenschen aufzuklären? Vor 17 Jahren, also im Jahr 2000, hat dieses deutsche Gremium den von mir damals geprägten Begriff ‘Leitkultur’ als ‘Unwort des Jahres’ verfemt und moralisch verboten.“ (Bassam Tibi: „Migration aus der Welt des Islam und die Wiedereinführung von Judenhass und Antisemitismus nach Europa“ in „Die Zukunft Europas und das Judentum“, Hrsg. Oskar Deutsch; Böhlau Verlag, Wien 2017; S.178.)
Tibi ist ein ausgewiesener Gegner des Nationalismus und steht in der Tradition der Kalergi-Völkervermischer. Im Jahre 1944 in Damaskus geboren, kam er 1962 nach Deutschland und studierte ab 1965 Sozialwissenschaft und Philosophie – unter anderem bei den Juden Max Horkheimer und Theodor W. Adorno – sowie Geschichte an der Universität Frankfurt am Main, wo er 1971 mit seiner Dissertation „Nationalismus in der Dritten Welt am arabischen Beispiel“ promoviert wurde.
Was Tibi von uns hält ist ebenfalls bekannt:
„Ich stehe dazu, dass Deutsche angesichts ihrer historischen Belastungen keine Legitimität haben, andere, erst recht Juden nicht, über Moral und Recht als Pflicht zu belehren.“ (Bassam Tibi: „Migration aus der Welt des Islam und die Wiedereinführung von Judenhass und Antisemitismus nach Europa“ in „Die Zukunft Europas und das Judentum“, Hrsg. Oskar Deutsch; Böhlau Verlag, Wien 2017; S.181.)
Es verwundert also nicht, wenn er folgendes ausführt:
„Zur Leitkultur Europas müsste die Ächtung jedes Antisemitismus aller Couleurs gehören; wer von dieser Leitkultur abweicht, erweist sich wahrlich als Holocaust-Leugner. Ich lehne eine deutsche Leitkultur vehement ab und insistiere auf einer europäischen Bestimmung des Begriffes.“ (Bassam Tibi: „Migration aus der Welt des Islam und die Wiedereinführung von Judenhass und Antisemitismus nach Europa“ in „Die Zukunft Europas und das Judentum“, Hrsg. Oskar Deutsch; Böhlau Verlag, Wien 2017; S.182.)
Als der Begriff „Leitkultur“ wegen seiner inhaltlichen Unschärfe zum Unwort des Jahres gekürt wurde, herrschte Handlungsbedarf. Jetzt wo die „Leitkultur“ als Verfassungspatriotismus ausdefiniert wurde und die Werte der christlich-jüdischen Eine-Welt-Apologeten inkludiert sind, dürfen auch Konservative und Patrioten den Kampfbegriff verwenden. Das Ziel ist jetzt ein gemeinsames geworden. Die Abschaffung der Völker. Domestiziert im Verfassungskerker.
Folgerichtig plädiert Tibi auch dafür, dass Deutschland sich vom Nationalstaat der Deutschen zu einem Einwanderungsland verändern soll. Die nicht zu leugnenden Probleme mit Fremden vermeint er mittels „Leitkultur“ zudecken zu können.
In der katholisch-christlichen Patriotenzeitschrift „Neue Ordnung“, Ausgabe III/17 schreibt Dr. Reinhold Lopatka über „Unsere Leitkultur“. Lopatka war unter anderem stellvertretender Bundesparteiobmann der ÖVP, Generalsekretär der ÖVP, Staatssekretär einer Bundesregierung und ist daher durchaus als jemand anzusehen, der in seinem Beitrag „Unsere Leitkultur“ die Politik der Herrschenden, hier vor allem der ÖVP, zu vertreten weiß.
In dem Artikel heißt es:
„Dieses Grundverständnis des gelingenden Miteinanders in der offenen Gesellschaft: Das verstehen wir als Leitkultur. Die ÖVP steht für einen modernen Staat, eine wertorientierte Politik und eine offene, freie und vielfältige Gesellschaft.“ (Reinhold Lopatka: „Unsere Leitkultur“ in „Neue Ordnung“, Ausgabe III/17; S. 14.)
Die „offene Gesellschaft“ ist die Erfindung des Juden Karl Popper, der beispielsweise hier ganz offen zugibt wohin die Reise führen soll.
„[…] vom Trauma des Übergangs aus der Stammes- oder ‘geschlossenen’ Gesellschaftsordnung, die magischen Kräften unterworfen ist, zur ‘offenen’ Gesellschaftsordnung, die die kritischen Fähigkeiten des Menschen freisetzt. Freiheit kann ungemütlich werden, kann Angst machen, kann Menschen überfordern und die Sehnsucht nach der Rückkehr in eine geschlossene Gesellschaft nähren, die alle ihre Kraft dazu verwendet und verschwendet, sich nach außen abzuriegeln.
Der Schock dieses Übergangs von der geschlossenen in die offene Gesellschaft, der den Menschen bis heute in den Knochen sitzt, ist, so Poppers Vermutung, der entscheidende Faktor, der immer wieder jene reaktionären Bewegungen ermöglicht, die auf den Sturz der Zivilisation und auf die Rückkehr der Stammesgebundenheit hingearbeitet haben und noch hinarbeiten. Wer meint, das Böse sei ein für allemal überwunden, weil doch jeder Vernünftige einsehen müsse, dass und wie er von einer offenen Welt profitiere, in der er nach seinen Wünschen leben, frei sein und reich werden kann, und dass jedermann schon aus purem Egoismus diese Freiheitsrechte allen anderen ebenfalls zubilligen müsste, sieht sich getäuscht. Die Zivilisation hat ihren universalistischen Anspruch nie durchsetzen können. Die Aufklärung wird die Barbarei nicht los. Sie hängt an ihr wie ein Teufel; das ist ihre Dialektik. Der Kampf für die Freiheit, meint Popper, ist ein ewiger. Er endet nie.“
Was Popper hier als magisch verunglimpft ist die traditionelle Lebensart der Völker und Menschen. Die „magische“ Verbindung durch die gemeinsame Abstammung und der damit verbundene Gleichklang der Herzen. Die Berufung der ÖVP auf die Wahnvorstellung Poppers entlarvt bereits. Da sind Codewörter der Einweltler und Kalergianer wie „vielfältige Gesellschaft“ nur ein weiterer Hinweis was die Herrschenden anstreben.
In Lopatkas Beitrag heißt es weiter:
„Österreich war noch zu Beginn der Sechzigerjahre des vorigen Jahrhunderts bei sieben Millionen Einwohnern eine sehr homogene Gesellschaft, davon waren nur knapp 100.000 Fremde.“ (Reinhold Lopatka: „Unsere Leitkultur“ in „Neue Ordnung“, Ausgabe III/17; S. 14.)
„Österreich ist das Zielland so vieler Menschen geworden, weil sie sich in Österreich ein sicheres, friedliches, freies, gerechtes und sozial abgesichertes Leben erwarten dürfen. Damit unser Lebensmodell im Interesse aller aufrechterhalten werden kann, müssen jene Menschen, die – warum auch immer – zu uns kommen, verstehen lernen, daß ein friedliches Zusammenleben in Österreich nur dann möglich ist, wenn alle Menschen unsere Leitkultur kennen, verstehen und letztlich auch von ihrer Richtigkeit überzeugt sind.“ (Reinhold Lopatka: „Unsere Leitkultur“ in „Neue Ordnung“, Ausgabe III/17; S. 15.)
Wir fassen zusammen. Menschen die, warum auch immer (!), zu uns kommen, dürfen sich (!) ein sozial abgesichertes Leben erwarten. Das ist der Code für das Einwanderungsland. Etwaig auftretende Konflikte sowohl zwischen Fremden und den echten Österreichern, als auch unter den Fremden selbst, soll die dubiose „Leitkultur“ befrieden.
Was ist nun diese Leitkultur?
„Unsere Leitkultur gründet sich auf drei Säulen:
1. Die bürgerliche Leitkultur basiert auf der Wertekultur einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Diese garantiert unsere Bundesverfassung. Gerade in Zeiten der massiven Zuwanderung aus Ländern, denen eine freiheitliche, demokratische Grundordnung fremd ist, muss unsere Demokratie wehrhaft bleiben. Es darf keine Toleranz gegenüber Strömungen geben, die unsere Leitkultur, unsere freiheitliche, demokratische Grundordnung beseitigen wollen.
2. Geborgenheit braucht Vertrautheit im Alltag. Das fängt bei der Beherrschung der deutschen Sprache an, geht aber darüber hinaus: Der Mann, der sich weigert, im Alltag aus religiösen Gründen einer Frau die Hand zu reichen, sagt ‘Nein’ zur Gleichbehandlung von Mann und Frau und wendet sich damit gegen unsere Leitkultur. Zur Leitkultur gehört auch eine Alltagskultur als Ausdruck guten Miteinanders, die auf Gleichbehandlung und Wertschätzung beruht.
3. Unsere Wirtschafts- und Sozialordnung umfasst Rechte und Pflichten für Bürgerinnen und Bürger und findet Entsprechung im Leistungsprinzip und im Solidargedanken, die dem Modell der ökosozialen Marktwirtschaft zugrunde liegen. Für seinen eigenen Lebensunterhalt zu sorgen, soweit man dazu in der Lage ist, sich in die Solidargemeinschaft einzubringen, anstatt sie auszunutzen, und generationengerecht zu handeln, macht die Leitkultur zu einer Freiwilligenkultur.“ (Reinhold Lopatka: „Unsere Leitkultur“ in „Neue Ordnung“, Ausgabe III/17; S. 15f.)
Wie freiwillig die Teilnahme an der offenen Gesellschaft und der Leitkultur in Wahrheit ist verdeutlicht sich schon dadurch, dass in Punkt 1 die Verfassung und damit der Rechtsstaat, also Gerichte und Polizei, bemüht werden.
Noch deutlich wird Lopatka hier:
„Integration kann ausschließlich in die Richtung der beschriebenen Leitkultur funktionieren. […] Wer sich aber der Integration verweigert, muß mit Konsequenzen rechnen.“ (Reinhold Lopatka: „Unsere Leitkultur“ in „Neue Ordnung“, Ausgabe III/17; S. 18.)
Über die Auswirkungen und die Unmöglichkeit des Konzepts der „Integration“ haben wir hier und hier bereits ausführlich berichtet. Die ÖVP, also die Herrschenden, befinden sich im Krieg gegen die Wirklichkeit und sind bereit ihrem Hirngespinst von der offenen Gesellschaft auch unser Volk zu opfern. Warum sogenannte Patrioten wie hier beschrieben auf den Betrug der „Leitkultur“ hereinfallen, wissen wir nicht. Ist es Dummheit oder Mutwilligkeit? Wir Nationalisten müssen achtsam sein. Denn konservative Christen und Patrioten scheinen im Lager des Feindes der Völker zu stehen.