Über Gramsci und seinen Versuch den Marxismus zu reformieren haben wir bereits ausführlich geschrieben. Wie wir bereits festgestellt haben, wurden Gramscis Ideen von einer Kulturrevolution nicht nur von Linksextremisten eifrig übernommen und angewendet. Zur Zeit versuchen sich auch sogenannte „Neurechte“ an Gramscis Theorien. Allen voran die Identitäre Bewegung. Dies ist für uns ein Anlass, uns auch mit der „neurechten“ Interpretation von Gramscis Theorie zu befassen.
Sehr schnell wird klar, dass wir immer wieder bei Alain de Benoist angelangen, dessen Werk massiven Einfluss auf das Denken und Handeln der „Neurechten“ hat.
„Es war Alain de Benoist, der in seinem Meilenstein ‘Aus rechter Sicht’ die Grundlagen für die Ideen und Strategien der neuen Rechten legte. Hier war vor allem der kommunistische Intellektuelle Antonio Gramsci einflussreich.“ (Martin Sellner: „Identitär! Geschichte eines Aufbruchs“; Verlag Antaios, Schnellroda 2017; S. 97.)
Während die „Neurechten“ – mangels echter profunder Weltanschauung und wegen ihrer Ablehnung des substantiell wichtigsten politischen Entwurfs des 20. Jahrhunderts – nur im Trüben fischen konnten, sich aus der Mottenkiste der „Konservativen Revolution“ bedient haben und eigentlich nie so recht wussten wohin der Weg führen soll und wo oben und unten ist, hat ihnen Benoist beziehungsweise der Kommunist Gramsci erstmals vermeintlich einen Weg eröffnet, ihre Ideen auch in der praktischen Politik umzusetzen.
„Benoists Analyse und seine Übernahme Gramscis für eine ‘Kulturrevolution von rechts’ geben ein klares Ziel vor. Es handelt sich dabei nicht um einen blutigen Aufstand, paramilitärische Operationen oder Bürgerkriegsphantasien. Das Ziel ist eine Eroberung der Machtmittel der kulturellen Hegemonie, welche die herrschenden Ideen und Begriffe erzeugen, also der Massenmedien, der Kunst, der Kultur und des öffentlichen Raumes“ (Martin Sellner: „Identitär! Geschichte eines Aufbruchs“; Verlag Antaios, Schnellroda 2017; S. 99.)
Folgerichtig veröffentlichte ein Kader der Identitären Bewegung, Mario Alexander Müller, ein Handbuch, dass Jugendlichen die Identitäre Bewegung näher bringen soll. Er schreibt:
„Während es der französischen Neuen Rechten vor allem um intellektuelle Vorarbeit ging, schafft die Identitäre Bewegung nun auch alltägliche Kultur-, Sozial-, und Freizeitangebote von rechts. Ihre Aufgaben sind theoretisch wie praktisch, sie reichen von der Gegeninformation bis zur Besetzung öffentlicher Räume.“ (Mario Alexander Müller: „Kontrakultur“; Verlag Antaios, Schnellroda 2017; S. 162.)
Anders als Sellner sieht Müller aber sehr wohl die Möglichkeit einer militanten Auseinandersetzung und wäre auch einer „Maidanisierung“ nicht abgeneigt.
„Am Ende bleiben der herrschenden politischen Klasse, wie Gene Sharp schreibt, nur noch ‘Anpassung, Entgegenkommen, Zwang oder Auflösung’. Entweder paßt sich die Politik an, oder sie muß abtreten. Als ‘Orbanisierung’ und ‘Maidanisierung’ sind beide Szenarien Bestandteil identitärer Strategie.“ (Mario Alexander Müller: „Kontrakultur“; Verlag Antaios, Schnellroda 2017; S. 186.)
Aber lassen wir Benoist selbst zu Wort kommen. Er sieht es als vordringliche Aufgabe an, Worte beziehungsweise deren Bedeutungsinhalte zu bestimmen und in den politischen Diskurs einzubringen, um damit das Denken der Menschen anzupassen und zu verändern.
„Man sagt, die Schlüsselbegriffe des rechten Vokabulars seien durch Faschismen diskreditiert worden. Sagen wir lieber, dass diese Diskreditierung von Gruppen kunstvoll ins Werk gesetzt und genährt worden ist, die in der Verbreitung von Mythen, die Kampfkraft lähmen und Schuldgefühle einimpfen, Experten sind. Wir haben es hier nicht mit einer Analyse, sondern mit Propaganda zu tun.“ (Alain de Benoist: „Kulturrevolution von rechts“; Jungeuropa Verlag, Dresden 2017; S. 33.)
Er zieht ebenso wie Gramsci den banalen Schluss, dass Veränderungen nur vor sich gehen, wenn diese zuvor bereits gewollt waren. Der Wille geht der Tat voraus!
„Alle großen Revolutionen der Geschichte haben auf der politischen Ebene eine Entwicklung konkretisiert, die in den Geistern schon vor sich gegangen war – selbstverständlich angefangen bei jener von 1789. Das war es, was der Italiener Antonio Gramsci sehr genau begriffen hatte, dessen Lehren die Neomarxisten so besonders eifrig praktizieren. Es versteht sich von selbst, dass die alte Rechte, die – im Ganzen genommen – weder Marx noch Lenin gelesen hat, weit davon entfernt ist, Gramsci zu lesen.“ (Alain de Benoist: „Kulturrevolution von rechts“; Jungeuropa Verlag, Dresden 2017; S. 42.)
Wiewohl Benoist einen etwas naiven Zugang zur Politik hat, wie sich hier zeigt:
„Der Staat kann den Besitz von Waffen oder die Verwendung von Sprengstoff verbieten, aber er kann nur sehr schwer, ohne das Prinzip der freien Meinungsäußerung anzutasten, die Verbreitung eines Buches, oder die Aufführung eines Schauspiels verbieten, die jedoch, wenn es darauf ankommt, Waffen darstellen können, die gegen ihn gerichtet werden.“ (Alain de Benoist: „Kulturrevolution von rechts“; Jungeuropa Verlag, Dresden 2017; S. 79 f.)
In Wahrheit werden in der BRD mittels Indizierung und Beschlagnahme Bücher und Tonträger dem politischen Diskurs weitgehend entzogen. Künstler werden zu Haftstrafen verurteilt. In Österreich gibt es zwar kein Verbot, dafür werden aber Schriftsteller wie Herbert Schweiger und Gerd Honsik zu Haftstrafen verurteilt und die Verbreitung ihrer Bücher unter Strafe gestellt. Ebenso naiv ist es von Benoist zu glauben, dass der repressive Staat und die totalitäre Demokratie sich an eine Verfassung und Gesetze zu halten hätte. Im Zweifel wird das Recht angepasst.
„Entsprechend begünstigt die Macht, die verfassungsmäßig verpflichtet ist, den Schwankungen der öffentlichen Meinung Rechnung zu tragen, und die selbst ebenfalls von den Vorspiegelungen der Mode und den Talenten der Intelligenzija verführt wird, sehr oft jenen Prozess der Substitution der Werte, dessen Opfer sie letzten Endes wird. So vollzieht sich unter Wirkung der kulturellen Macht die Umkehrung der ideologischen Mehrheit.“ (Alain de Benoist: „Kulturrevolution von rechts“; Jungeuropa Verlag, Dresden 2017; S. 81)
Ob also die Konzeption von Gramsci und Benoist tatsächlich aufgehen wird, darf bezweifelt werden. Immerhin war Gramscis Kommunistische Partei, mit rund 1,8 Millionen Mitgliedern, die stärkste kommunistische Partei Westeuropas. Sie hat sich 1991 aufgelöst und die Revolution blieb bis heute aus. Am Beispiel der BRD und der Republik Österreich lässt sich klar erkennen, wie Kultur als Mittel der Machtausübung angewendet wird. Nach 1945 wurde der Kulturbetrieb von den Besatzungsmächten übernommen und bis heute ist der Druck nicht verschwunden. Dass überwiegend jüdische und nichtjüdische Kommunisten den Kulturbetrieb dominieren darf uns nicht verwundern, wenn man in Betracht zieht welche Unterstützung die Marxisten der Frankfurter Schule genossen. Es ist also eher davon auszugehen, dass echte Macht immer von oben nach unten gebaut wird und jede Änderung auch die Frage nach dem System bedingt. Es war Lenin der die „Einheit von Theorie und Praxis“ verlangte und Benoist der darauf hinwies, dass jede Theorie der keine Praxis folgt Intellektualismus sei.
Der „Neurechte“ Benedikt Kaiser hat die Identitären und ihre „Strategie“ im Blick, wenn er schreibt:
„Hier schwächeln rechte Denkweisen zu oft. Ausgiebig wird analysiert wie viele Ausländer nach Europa strömen und der ‘Große Austausch’, der ein real existierendes Migrationsproblem, keine religiöse Frage ist, wird in rechten Online-Blogs zum Masterplan scheinbar allmächtiger Islamisten erhoben, der überdies scheinbar im luftleeren Raum stattfindet oder von der einheimischen politischen Klasse ‘gemacht’ wird.“ (Benedikt Kaiser: „Querfront“; Verlag Antaios, Schnellroda 2017; S. 77.)
Wir schließen unseren Artikel mit den treffenden Ausführungen Dr. Carlos Dufours.
„Vielleicht wird nun für eine Weile öfter von Patriotismus gesprochen, ohne allerdings zu begreifen, welche Kernfrage angesprochen wird oder welche Richtung einzuschlagen ist. […] Man kann von politischen Gruppierungen, die mehr oder weniger zufällig entstanden sind, nicht erwarten, dass sie die Grundfrage in alldem nachvollziehen. Warum sollten sie? Sie haben ein begrenztes, konkretes Ziel; sie wollen nicht die Überzeugungen ändern, sondern die bereits vorhandenen ausnützen; sie müssen Rücksicht auf die Komponenten des Systems nehmen, um in ihm weiterzuwirken. Der Skeptiker rechnet damit, dass jeder Versuch, nur Teile des Problems zu berücksichtigen, so enden kann wie jener Kampf mit der Hydra, wo man Köpfe umsonst abschneidet, da immer neue nachwachsen.
Es ist an der Zeit, wenigstens das System zu benennen und außerhalb seines Hoheitsbereiches zu denken. Zu viele wollen schon mit einem Kompromiss anfangen, bevor sie entscheiden, wohin man gehen will. Mindestens im Denken soll keiner sich unbewusste Zugeständnisse an das System auferlegen. Inwieweit sich jemand noch auf alten Pfaden bewegt und systemerhaltend wirkt, liest man an den Komponenten ab, die er beibehalten möchte.“ (Carlos Dufour: „Das Wesen des Systems – Politische Radiographie“; Verlag Ahnenrad der Moderne, Bad Wildungen 2017; S. 61 ff.)